URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
1. Juli 2015(*)
„Vorlage
zur Vorabentscheidung – Umwelt – Maßnahmen der Europäischen Union im
Bereich der Wasserpolitik – Richtlinie 2000/60/EG – Art. 4
Abs. 1 – Umweltziele bei Oberflächengewässern – Verschlechterung
des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers – Vorhaben des Ausbaus einer
Wasserstraße – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein Vorhaben zu
untersagen, das eine Verschlechterung des Zustands eines
Oberflächenwasserkörpers verursachen kann – Maßgebliche Kriterien für
die Beurteilung des Vorliegens einer Verschlechterung des Zustands eines
Wasserkörpers“
In der Rechtssache C‑461/13
betreffend
ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom
Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. Juli
2013, beim Gerichtshof eingegangen am 22. August 2013, in dem Verfahren
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.
gegen
Bundesrepublik Deutschland,
Beteiligte:
Freie Hansestadt Bremen,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter
Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten
K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der
Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der
Kammerpräsidenten M. Ilešič, A. Ó Caoimh, C. Vajda
und S. Rodin, der Richter A. Borg Barthet,
J. Malenovský und E. Levits, der Richterin M. Berger
(Berichterstatterin) sowie der Richter C. G. Fernlund,
J. L. da Cruz Vilaça und F. Biltgen,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– des
Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V., vertreten
durch Rechtsanwalt R. Nebelsieck,
– der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt W. Ewer,
– der Freien Hansestadt Bremen, vertreten durch Rechtsanwalt P. Schütte,
– der
tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als
Bevollmächtigten,
– der
französischen Regierung, vertreten durch S. Menez als
Bevollmächtigten,
– der
niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman,
B. Koopman und J. Langer als Bevollmächtigte,
– der
polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als
Bevollmächtigten,
– der
Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko
als Bevollmächtigte im Beistand von G. Facenna, Barrister,
– der
Europäischen Kommission, vertreten durch E. Manhaeve und
G. Wilms als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Oktober 2014
folgendes
Urteil
1 Das
Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4
Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie
2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober
2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft
im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327, S. 1).
2 Dieses
Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Bund für
Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. und der Bundesrepublik
Deutschland wegen eines in der Vertiefung verschiedener Teile des
Flusses Weser im Norden Deutschlands bestehenden Vorhabens, das die
Durchfahrt größerer Containerschiffe zu den deutschen Häfen Bremerhaven,
Brake und Bremen ermöglichen soll.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Die Erwägungsgründe 16, 25 und 32 der Richtlinie 2000/60 lauten:
„(16) Der
Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung von Gewässern müssen stärker
in andere politische Maßnahmen der Gemeinschaft integriert werden, so
z. B. in die Energiepolitik, die Verkehrspolitik, die
Landwirtschaftspolitik, die Fischereipolitik, die Regionalpolitik und
die Fremdenverkehrspolitik …
…
(25) Es
sollten gemeinsame Begriffsbestimmungen zur Beschreibung des Zustandes
von Gewässern sowohl im Hinblick auf die Güte als auch – soweit für den
Umweltschutz von Belang – auf die Menge festgelegt werden. Umweltziele
sollen sicherstellen, dass sich die Oberflächengewässer und das
Grundwasser in der gesamten Gemeinschaft in einem guten Zustand befinden
und eine Verschlechterung des Zustands der Gewässer auf
Gemeinschaftsebene verhindert wird.
…
(32) Es
kann Gründe für eine Befreiung von der Auflage geben, einer weiteren
Verschlechterung des Gewässerzustands vorzubeugen oder einen guten
Zustand unter bestimmten Bedingungen zu erreichen, wenn die
Nichterfüllung der Auflage auf unvorhergesehene oder außergewöhnliche
Umstände, insbesondere Überschwemmungen und Dürren, oder auf neu
eingetretene Änderungen der physischen Eigenschaften eines
Oberflächenwasserkörpers oder Änderungen des Pegels von
Grundwasserkörpern, die aus Gründen des überwiegenden öffentlichen
Interesses erfolgt sind, zurückzuführen ist, unter der Voraussetzung,
dass alle praktikablen Vorkehrungen getroffen werden, um die negativen
Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu vermindern.“
4 Art. 1 („Ziel“) der Richtlinie 2000/60 sieht vor:
„Ziel
dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Ordnungsrahmens für den
Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der
Küstengewässer und des Grundwassers zwecks
a) Vermeidung
einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des
Zustands der aquatischen Ökosysteme und der direkt von ihnen abhängenden
Landökosysteme und Feuchtgebiete im Hinblick auf deren Wasserhaushalt,
…“
5 In
Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie heißt es in den
Nrn. 9, 17 und 21 bis 23:
„Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:
…
9. ‚erheblich
veränderter Wasserkörper‘: ein Oberflächenwasserkörper, der durch
physikalische Veränderungen durch den Menschen in seinem Wesen erheblich
verändert wurde, entsprechend der Ausweisung durch den Mitgliedstaat
gemäß Anhang II;
…
17. ‚Zustand
des Oberflächengewässers‘: die allgemeine Bezeichnung für den Zustand
eines Oberflächenwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils
schlechteren Wertes für den ökologischen und den chemischen Zustand;
…
21. ‚ökologischer
Zustand‘: die Qualität von Struktur und Funktionsfähigkeit aquatischer,
in Verbindung mit Oberflächengewässern stehender Ökosysteme gemäß der
Einstufung nach Anhang V;
22. ‚guter
ökologischer Zustand‘: der Zustand eines entsprechenden
Oberflächenwasserkörpers gemäß der Einstufung nach Anhang V;
23. ‚gutes
ökologisches Potential‘: der Zustand eines erheblich veränderten oder
künstlichen Wasserkörpers, der nach den einschlägigen Bestimmungen des
Anhangs V entsprechend eingestuft wurde;
…“
6 Art. 3
(„Koordinierung von Verwaltungsvereinbarungen innerhalb einer
Flussgebietseinheit“) der Richtlinie sieht in Abs. 1 vor:
„Die
Mitgliedstaaten bestimmen die einzelnen Einzugsgebiete innerhalb ihres
jeweiligen Hoheitsgebiets und ordnen sie für die Zwecke dieser
Richtlinie jeweils einer Flussgebietseinheit zu. Kleine Einzugsgebiete
können gegebenenfalls mit größeren Einzugsgebieten zusammengelegt werden
oder mit benachbarten kleinen Einzugsgebieten eine Flussgebietseinheit
bilden. Grundwässer, die nicht in vollem Umfang in einem einzigen
Einzugsgebiet liegen, werden genau bestimmt und der am nächsten
gelegenen oder am besten geeigneten Flussgebietseinheit zugeordnet. Auch
die Küstengewässer werden bestimmt und der bzw. den am nächsten
gelegenen oder am besten geeigneten Flussgebietseinheit(en) zugeordnet.“
7 Art. 4
(„Umweltziele“) der Richtlinie 2000/60 bestimmt in den Abs. 1
Buchst. a, 2 und 6:
„(1) In
Bezug auf die Umsetzung der in den Bewirtschaftungsplänen für die
Einzugsgebiete festgelegten Maßnahmenprogramme gilt Folgendes:
a) bei Oberflächengewässern:
i) die
Mitgliedstaaten führen, vorbehaltlich der Anwendung der Absätze 6 und 7
und unbeschadet des Absatzes 8, die notwendigen Maßnahmen durch, um
eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu
verhindern;
ii) die
Mitgliedstaaten schützen, verbessern und sanieren alle
Oberflächenwasserkörper, vorbehaltlich der Anwendung der Ziffer iii
betreffend künstliche und erheblich veränderte Wasserkörper, mit dem
Ziel, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den
Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen
gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7 und
unbeschadet des Absatzes 8 einen guten Zustand der
Oberflächengewässer zu erreichen;
iii) die
Mitgliedstaaten schützen und verbessern alle künstlichen und erheblich
veränderten Wasserkörper mit dem Ziel, spätestens 15 Jahre nach
Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den Bestimmungen des
Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlängerungen gemäß
Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6 und 7 und
unbeschadet des Absatzes 8 ein gutes ökologisches Potential und
einen guten chemischen Zustand der Oberflächengewässer zu erreichen;
…
(2) Ist
ein bestimmter Wasserkörper von mehr als einem der in Absatz 1
genannten Ziele betroffen, so gilt das weiter reichende Ziel.
…
(6) Eine
vorübergehende Verschlechterung des Zustands von Wasserkörpern verstößt
nicht gegen die Anforderungen dieser Richtlinie, wenn sie durch aus
natürlichen Ursachen herrührende oder durch höhere Gewalt bedingte
Umstände, die außergewöhnlich sind oder nach vernünftiger Einschätzung
nicht vorhersehbar waren, insbesondere starke Überschwemmungen oder lang
anhaltende Dürren, oder durch Umstände bedingt [ist], die durch nach
vernünftiger Einschätzung nicht vorhersehbare Unfälle entstanden sind,
und wenn sämtliche nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:
a) Es
werden alle praktikablen Vorkehrungen getroffen, um eine weitere
Verschlechterung des Zustands zu verhindern und um die Verwirklichung
der Ziele dieser Richtlinie in anderen, nicht von diesen Umständen
betroffenen Wasserkörpern nicht zu gefährden.
b) In
dem Bewirtschaftungsplan für das Einzugsgebiet wird festgehalten, unter
welchen Bedingungen solche Umstände, die außergewöhnlich sind oder nach
vernünftiger Einschätzung nicht vorhersehbar waren, geltend gemacht
werden können und welche Indikatoren hierbei zu verwenden sind.
c) Die
Maßnahmen, die unter solchen außergewöhnlichen Umständen zu ergreifen
sind, sind in dem Maßnahmenprogramm aufgeführt und gefährden nicht die
Wiederherstellung des Zustands des Wasserkörpers, wenn die
außergewöhnlichen Umstände vorüber sind.
d) Die
Auswirkungen von Umständen, die außergewöhnlich sind oder nach
vernünftiger Einschätzung nicht vorhersehbar waren, werden jährlich
überprüft, und es werden vorbehaltlich der in Absatz 4 Buchstabe a)
aufgeführten Gründe alle praktikablen Maßnahmen ergriffen, um den
Zustand, den der Wasserkörper hatte, bevor er von solchen Umständen
betroffen wurde, so bald wie nach vernünftiger Einschätzung möglich
wiederherzustellen.
e) In
die nächste aktualisierte Fassung des Bewirtschaftungsplans für das
Einzugsgebiet wird eine zusammenfassende Darlegung der Auswirkungen der
Umstände und der Maßnahmen, die entsprechend den Buchstaben a) und d)
getroffen wurden bzw. noch zu treffen sind, aufgenommen.“
8 Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten verstoßen nicht gegen diese Richtlinie, wenn:
– das
Nichterreichen eines guten Grundwasserzustandes, eines guten
ökologischen Zustands oder gegebenenfalls eines guten ökologischen
Potentials oder das Nichtverhindern einer Verschlechterung des Zustands
eines Oberflächen- oder Grundwasserkörpers die Folge von neuen
Änderungen der physischen Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers
oder von Änderungen des Pegels von Grundwasserkörpern ist, oder
– das
Nichtverhindern einer Verschlechterung von einem sehr guten zu einem
guten Zustand eines Oberflächenwasserkörpers die Folge einer neuen
nachhaltigen Entwicklungstätigkeit des Menschen ist
und die folgenden Bedingungen alle erfüllt sind:
a) Es
werden alle praktikablen Vorkehrungen getroffen, um die negativen
Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern;
b) die
Gründe für die Änderungen werden in dem in Artikel 13 genannten
Bewirtschaftungsplan für das Einzugsgebiet im Einzelnen dargelegt, und
die Ziele werden alle sechs Jahre überprüft;
c) die
Gründe für die Änderungen sind von übergeordnetem öffentlichem
Interesse und/oder der Nutzen, den die Verwirklichung der in
Absatz 1 genannten Ziele für die Umwelt und die Gesellschaft hat,
wird übertroffen durch den Nutzen der neuen Änderungen für die
menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder
die nachhaltige Entwicklung; und
d) die
nutzbringenden Ziele, denen diese Änderungen des Wasserkörpers dienen
sollen, können aus Gründen der technischen Durchführbarkeit oder
aufgrund unverhältnismäßiger Kosten nicht durch andere Mittel, die eine
wesentlich bessere Umweltoption darstellen, erreicht werden.“
9 Art. 11 („Maßnahmenprogramm“) der Richtlinie bestimmt in Abs. 1:
„Jeder
Mitgliedstaat sorgt dafür, dass für jede Flussgebietseinheit oder für
den in sein Hoheitsgebiet fallenden Teil einer internationalen
Flussgebietseinheit unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Analysen
gemäß Artikel 5 ein Maßnahmenprogramm festgelegt wird, um die Ziele
gemäß Artikel 4 zu verwirklichen. Diese Maßnahmenprogramme können
auf Maßnahmen verweisen, die sich auf Rechtsvorschriften stützen, die
auf nationaler Ebene erlassen wurden, und sich auf das gesamte
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken. Die Mitgliedstaaten
können gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, die für alle
Flussgebietseinheiten und/oder für alle in ihrem Hoheitsgebiet liegenden
Teile internationaler Flussgebietseinheiten gelten.“
10 Art. 13
(„Bewirtschaftungspläne für die Einzugsgebiete“) der Richtlinie 2000/60
sieht in Abs. 1 vor:
„Die
Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass für jede Flussgebietseinheit, die
vollständig in ihrem Hoheitsgebiet liegt, ein Bewirtschaftungsplan für
die Einzugsgebiete erstellt wird.“
11 Art. 14
(„Information und Anhörung der Öffentlichkeit“) der Richtlinie 2000/60
bestimmt in Abs. 1:
„Die
Mitgliedstaaten fördern die aktive Beteiligung aller interessierten
Stellen an der Umsetzung dieser Richtlinie, insbesondere an der
Aufstellung, Überprüfung und Aktualisierung der Bewirtschaftungspläne
für die Einzugsgebiete …“
Deutsches Recht
12 § 27
(„Bewirtschaftungsziele für oberirdische Gewässer“) des
Wasserhaushaltsgesetzes vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585) in
seiner auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung
(im Folgenden: WHG) sieht vor:
„(1) Oberirdische
Gewässer sind, soweit sie nicht nach § 28 als künstlich oder
erheblich verändert eingestuft werden, so zu bewirtschaften, dass
1. eine Verschlechterung ihres ökologischen und ihres chemischen Zustands vermieden wird und
2. ein guter ökologischer und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden.
(2) Oberirdische
Gewässer, die nach § 28 als künstlich oder erheblich verändert
eingestuft werden, sind so zu bewirtschaften, dass
1. eine
Verschlechterung ihres ökologischen Potenzials und ihres chemischen
Zustands vermieden wird und
2. ein
gutes ökologisches Potenzial und ein guter chemischer Zustand erhalten
oder erreicht werden.“
13 § 31 Abs. 2 Satz 1 WHG bestimmt:
„Wird
bei einem oberirdischen Gewässer der gute ökologische Zustand nicht
erreicht oder verschlechtert sich sein Zustand, verstößt dies nicht
gegen die Bewirtschaftungsziele nach den §§ 27 und 30, wenn
1. dies
auf einer neuen Veränderung der physischen Gewässereigenschaften oder
des Grundwasserstands beruht,
2. die
Gründe für die Veränderung von übergeordnetem öffentlichen Interesse
sind oder wenn der Nutzen der neuen Veränderung für die Gesundheit oder
Sicherheit des Menschen oder für die nachhaltige Entwicklung größer ist
als der Nutzen, den die Erreichung der Bewirtschaftungsziele für die
Umwelt und die Allgemeinheit hat,
3. die
Ziele, die mit der Veränderung des Gewässers verfolgt werden, nicht mit
anderen geeigneten Maßnahmen erreicht werden können, die wesentlich
geringere nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben, technisch
durchführbar und nicht mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden
sind und
4. alle
praktisch geeigneten Maßnahmen ergriffen werden, um die nachteiligen
Auswirkungen auf den Gewässerzustand zu verringern.“
14 § 12
Abs. 7 Satz 3 des Bundeswasserstraßengesetzes vom 2. April 1968
(BGBl. II S. 173) in seiner auf den Rechtsstreit des
Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung lautet:
„Ausbaumaßnahmen müssen die nach §§ 27 bis 31 [WHG] maßgebenden Bewirtschaftungsziele berücksichtigen.“
15 § 14 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes sieht vor:
„Bei
der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen
und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen
der Abwägung zu berücksichtigen.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
16 Mit
Planfeststellungsbeschluss vom 15. Juli 2011 (im Folgenden:
Planfeststellungsbeschluss) genehmigte die Wasser- und
Schifffahrtsdirektion Nordwest, eine Bundesverwaltungsbehörde, drei
Vorhaben für den Ausbau des Flusses Weser, einer Bundeswasserstraße. Der
Träger aller drei Vorhaben, die unabhängig voneinander verwirklicht
werden können, ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.
17 Das
erste Vorhaben hat den Ausbau der Außenweser vom offenen Meer bis
Bremerhaven zum Gegenstand. Dafür soll die Fahrrinne der Außenweser um
bis zu 1,16 m vertieft werden, damit Großcontainerschiffe mit einem
Abladetiefgang von bis zu 13,5 m den Hafen Bremerhaven
tideunabhängig erreichen können. Das Vorhaben ist mit einer Vertiefung
der Wendestelle des Hafens Bremerhaven verbunden, für die die
Beigeladene des Ausgangsverfahrens Trägerin des Vorhabens ist.
18 Das
zweite Vorhaben betrifft den Ausbau der Unterweser von Bremerhaven
flussaufwärts bis Brake, wobei die Fahrrinne um bis zu 1 m vertieft
werden soll, damit Schiffe mit einem Abladetiefgang von maximal
12,8 m den dortigen Hafen tideabhängig anfahren können.
19 Mit
dem dritten Vorhaben soll der Ausbau der Unterweser von Brake
flussaufwärts bis Bremen erfolgen. Die Fahrrinne in diesem
Flussabschnitt soll vertieft werden, damit der Hafen in Bremen
tideabhängig von Schiffen mit einem Abladetiefgang von bis zu
11,1 m erreicht werden kann. Gegenwärtig kann der Hafen Bremen
tideabhängig von Schiffen mit einem Abladetiefgang von bis zu
10,7 m erreicht werden.
20 Zur
Verwirklichung der Vorhaben soll die Flusssohle in den Fahrrinnen
ausgebaggert werden. Nach der erstmaligen Herstellung der geplanten
Tiefe im Rahmen des Ausbaus sind regelmäßige Unterhaltungsbaggerungen
erforderlich. Das Baggergut aus dem Ausbau und der Unterhaltung soll im
Wesentlichen an schon früher dafür genutzten Stellen in der Außenweser
und der Unterweser verklappt werden.
21 Neben
den unmittelbaren Auswirkungen des Ausbaggerns und Verklappens haben
die Vorhaben nach den Angaben des vorlegenden Gerichts weitere
hydrologische und morphologische Folgen für die betroffenen
Flussabschnitte. So nähme insbesondere die Strömungsgeschwindigkeit
sowohl bei Ebbe als auch bei Flut zu, Tidehochwasserstände würden höher,
Tideniedrigwasserstände niedriger, der Salzgehalt in Teilen der
Unterweser nähme zu, die Brackwassergrenze in der Unterweser würde
stromaufwärts verschoben, und schließlich würde die Verschlickung des
Flussbetts außerhalb der Fahrrinne zunehmen.
22 Von
den betroffenen Wasserkörpern sind die Übergangsgewässer der Weser und
der Tidebereich oberhalb von Brake als „erheblich verändert“ im Sinne
von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2000/60 eingestuft. Der
Bereich der Außenweser, soweit er zu den Küstengewässern zählt, ist als
natürlicher Wasserkörper eingestuft. Betroffen sind darüber hinaus eine
Reihe von Wasserkörpern im Bereich der Nebenflüsse, die zum Teil als
natürlich und zum Teil als erheblich verändert eingestuft sind.
23 Davon
ausgehend prüfte die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest im
Planfeststellungsbeschluss, ob die fraglichen Vorhaben mit dem von der
Richtlinie 2000/60 aufgestellten Ziel, die Verschlechterung der
Wasserkörper zu verhindern, vereinbar ist. Sie kam zu dem Ergebnis, dass
für die Küstengewässer keine Verschlechterung im Sinne der Richtlinie
zu erwarten sei.
24 Dagegen
wird ihrer Auffassung nach der aktuelle Zustand bestimmter Wasserkörper
der Weser durch die Wirkungen der Ausbauvorhaben tendenziell negativ
verändert, ohne dass eine Veränderung der Zustandsklasse gemäß
Anhang V der Richtlinie 2000/60 eintreten werde. Eine solche
Verschlechterung innerhalb einer Zustandsklasse sei nicht als
Verschlechterung des ökologischen Potenzials oder des Zustands des
betreffenden Wasserkörpers anzusehen.
25 Hilfsweise
prüfte diese Behörde die Voraussetzungen einer Ausnahme vom Verbot der
Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper nach § 31
Abs. 2 WHG und Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60 und
bejahte ihr Vorliegen.
26 Der
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. ficht den
Planfeststellungsbeschluss an und rügt neben Verletzungen des
Planfeststellungsrechts und des Gesetzes über die
Umweltverträglichkeitsprüfung sowie von Rechtsvorschriften zum Schutz
der Umwelt, insbesondere Vorschriften zum Schutz von Fauna und Flora
sowie zum Vogelschutz, u. a. auch Verstöße gegen
wasserschutzrechtliche Vorschriften, die auf der Richtlinie 2000/60
beruhen.
27 Das
vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Entscheidung des
Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung mehrerer Bestimmungen der
genannten Richtlinie abhängt.
28 Unter
diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht beschlossen, das
Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist
Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie
2000/60 dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten − vorbehaltlich der
Erteilung einer Ausnahme − verpflichtet sind, die Zulassung eines
Projekts zu versagen, wenn dieses eine Verschlechterung des Zustands
eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann, oder handelt es sich
bei dieser Regelung um eine bloße Zielvorgabe für die
Bewirtschaftungsplanung?
2. Ist
der Begriff „Verschlechterung des Zustands“ in Art. 4 Abs. 1
Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen,
dass er nur nachteilige Veränderungen erfasst, die zu einer Einstufung
in eine niedrigere Klasse gemäß Anhang V der Richtlinie führen?
3. Falls
die Frage 2 zu verneinen ist: Unter welchen Voraussetzungen liegt
eine „Verschlechterung des Zustands“ im Sinne des Art. 4
Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 vor?
4. Ist
Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii sowie iii der
Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten −
vorbehaltlich der Erteilung einer Ausnahme − verpflichtet sind, die
Zulassung eines Projekts zu versagen, wenn dieses die Erreichung eines
guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen
Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines
Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt
gefährdet, oder handelt es sich bei dieser Regelung um eine bloße
Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur vierten Frage
29 Mit
seiner ersten und seiner vierten Frage, die gemeinsam zu behandeln
sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1
Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60 dahin
auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Gewährung
einer Ausnahme verpflichtet sind, die Genehmigung für ein Vorhaben zu
versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines
Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung
eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten
ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines
Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt
gefährdet.
30 Bei
der Bestimmung der Tragweite dieser Vorschriften sind nach ständiger
Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl ihr Wortlaut als auch ihr Kontext
sowie die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie
gehören, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteile Lundberg, C‑317/12,
EU:C:2013:631, Rn. 19, SFIR u. a., C‑187/12 bis C‑189/12,
EU:C:2013:737, Rn. 24, sowie Bouman, C‑114/13, EU:C:2015:81,
Rn. 31), und im vorliegenden Fall die Entstehungsgeschichte dieser
Regelung.
31 Es
ist darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1
Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60, anders als die
Bundesrepublik Deutschland und die niederländische Regierung geltend
gemacht haben, für den verbindlichen Charakter dieser Bestimmung
spricht; dort heißt es: „[D]ie Mitgliedstaaten führen … die
notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des Zustands aller
Oberflächenwasserkörper zu verhindern …“ Aus der Formulierung
„führen … durch“ ergibt sich eine Verpflichtung der
Mitgliedstaaten, in diesem Sinne zu handeln.
32 Dem
vorlegenden Gericht ist beizupflichten, dass in der Genehmigung eines
konkreten Vorhabens eine solche Durchführung zu sehen ist.
33 Des
Weiteren gilt nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1
Buchst. a der Richtlinie 2000/60 „[i]n Bezug auf die Umsetzung der
in den Bewirtschaftungsplänen … festgelegten Maßnahmenprogramme“,
dass die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die
Ziele einer Verhinderung der Verschlechterung, des Schutzes und der
Verbesserung des Zustands der Oberflächengewässer zu verwirklichen. Die
Verwendung der Worte „[i]n Bezug auf die Umsetzung“ stützt eine
Auslegung dieser Vorschrift, wonach sie Verpflichtungen enthält, die von
den zuständigen Behörden bei der Genehmigung konkreter Vorhaben im
Rahmen der Regelung des Gewässerschutzes einzuhalten sind.
34 Ferner
ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2000/60 eine auf der
Grundlage von Art. 175 Abs. 1 EG (jetzt Art. 192
Abs. 1 AEUV) erlassene Rahmenrichtlinie ist. Sie legt allgemeine
Grundsätze und einen Handlungsrahmen für den Gewässerschutz fest und
soll die grundlegenden Prinzipien und Strukturen für den Schutz und den
nachhaltigen Gebrauch von Wasser in der Europäischen Union koordinieren,
integrieren und langfristig weiterentwickeln. Die allgemeinen
Grundsätze und der Handlungsrahmen, die sie aufstellt, sind später von
den Mitgliedstaaten durch den Erlass konkreter Maßnahmen innerhalb der
in der Richtlinie vorgesehenen Fristen weiterzuentwickeln. Die
Richtlinie zielt jedoch nicht auf eine vollständige Harmonisierung der
wasserrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten ab (Urteile
Kommission/Luxemburg, C‑32/05, EU:C:2006:749, Rn. 41, und
Kommission/Deutschland, C‑525/12, EU:C:2014:2202, Rn. 50).
35 Der
25. Erwägungsgrund der Richtlinie bestätigt, dass Umweltziele
festzulegen sind, die sicherstellen, dass sich die Oberflächengewässer
und das Grundwasser in der gesamten Union in einem guten Zustand
befinden und eine Verschlechterung des Zustands der Gewässer auf
Unionsebene verhindert wird.
36 Ziel
der Richtlinie 2000/60 ist nach ihrem Art. 1 Buchst. a die
Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Schutz der
Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und
des Grundwassers zwecks Vermeidung einer weiteren Verschlechterung
sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme
und der direkt von ihnen abhängenden Landökosysteme.
37 Somit
besteht das Endziel der Richtlinie 2000/60 darin, durch eine
konzertierte Aktion bis zum Jahr 2015 einen „guten Zustand“ aller
Oberflächengewässer der Union zu erreichen.
38 Die
von den Mitgliedstaaten zu erreichenden Umweltziele sind in Art. 4
Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 aufgeführt.
39 Hierfür
schreibt diese Bestimmung zwei gesonderte, wenn auch eng miteinander
verbundene Ziele vor. Zum einen führen die Mitgliedstaaten nach
Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie
2000/60 die notwendigen Maßnahmen durch, um eine Verschlechterung des
Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern (Pflicht zur
Verhinderung der Verschlechterung). Zum anderen schützen, verbessern und
sanieren die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 1
Buchst. a Ziff. ii und iii alle Oberflächengewässer mit dem
Ziel, spätestens Ende des Jahres 2015 einen guten Zustand der Gewässer
zu erreichen (Verbesserungspflicht).
40 Der
Ursprung dieser beiden Ziele ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte
der Richtlinie 2000/60. Was insbesondere die Pflicht zur Verhinderung
der Verschlechterung des Zustands der Oberflächengewässer betrifft,
konnten die in Rede stehenden Vorschriften in ihrer ersten Fassung
bedeuten, dass sich der Zustand der in eine höhere als die Kategorie
„guter Zustand“ einzureihenden Wasserkörper nach dem Erlass der
Richtlinie 2000/60 so lange verschlechtern durfte, bis ihr Zustand
dieser Kategorie entsprach. Das Europäische Parlament schlug deshalb
eine Änderung vor, die es ermöglichte, zwischen der Verpflichtung, einen
„guten Zustand“ zu erreichen, und der Pflicht zur Verhinderung jeder
Verschlechterung zu unterscheiden. Dazu wurde in Art. 4 Abs. 1
der Richtlinie ein neuer Gedankenstrich eingefügt, der die
letztgenannte Pflicht gesondert vorsah.
41 Sowohl
die Verbesserungspflicht als auch die Pflicht zur Verhinderung der
Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper dienen zur Erreichung der
vom Unionsgesetzgeber angestrebten qualitativen Ziele, nämlich der
Erhaltung oder Wiederherstellung eines guten Zustands, eines guten
ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands der
Oberflächengewässer.
42 Um
sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten die vorgenannten Umweltziele
verwirklichen, enthält die Richtlinie 2000/60 eine Reihe von
Bestimmungen, insbesondere die Art. 3, 5, 8, 11 und 13 sowie den
Anhang V, und schafft damit, wie der Generalanwalt in den Nrn. 43
bis 52 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ein komplexes, mehrere
detailliert geregelte Abschnitte umfassendes Verfahren, um es den
Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die notwendigen Maßnahmen nach Maßgabe
der für ihr Hoheitsgebiet festgestellten Besonderheiten und Merkmalen
der Wasserkörper umzusetzen.
43 Diese
Gesichtspunkte stützen die Auslegung, wonach sich Art. 4
Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/60 nicht auf die
programmatische Formulierung bloßer Ziele der Bewirtschaftungsplanung
beschränkt, sondern – sobald der ökologische Zustand des betreffenden
Wasserkörpers festgestellt ist – in jedem Abschnitt des nach dieser
Richtlinie vorgeschriebenen Verfahrens verbindliche Wirkungen entfaltet.
44 Die
in Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60 vorgesehenen
Ausnahmeregelungen, deren Anwendungsvoraussetzungen die Beklagte des
Ausgangsverfahrens geprüft hat, ohne dass sie Gegenstand der vom
vorlegenden Gericht gestellten Fragen sind, bilden ebenfalls einen
Gesichtspunkt, der die Auslegung stützt, dass die Verhinderung der
Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper verbindlichen Charakter
hat.
45 Insoweit
ist darauf hinzuweisen, dass diese Regelung mehrere Kategorien enthält.
Insbesondere heißt es in Art. 4 Abs. 7: „Die Mitgliedstaaten
verstoßen nicht gegen diese Richtlinie, wenn … das Nichtverhindern
einer Verschlechterung des Zustands eines Oberflächen- oder
Grundwasserkörpers die Folge von neuen Änderungen der physischen
Eigenschaften eines Oberflächenwasserkörpers oder von Änderungen des
Pegels von Grundwasserkörpern ist …“
46 Diese
Ausnahme gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass alle praktikablen
Vorkehrungen getroffen wurden, um die negativen Auswirkungen auf den
Zustand des Wasserkörpers zu mindern, und dass die Maßnahmenprogramme
und die Bewirtschaftungspläne entsprechend angepasst wurden.
47 Insoweit
ist hervorzuheben, dass die Struktur der in Art. 4 Abs. 7 der
Richtlinie 2000/60 vorgesehenen Kategorien von Ausnahmen die Annahme
zulässt, dass Art. 4 der Richtlinie nicht allein grundsätzliche
Verpflichtungen enthält, sondern auch konkrete Vorhaben betrifft. Wie
der Generalanwalt nämlich in Nr. 78 seiner Schlussanträge
ausgeführt hat, greifen die Ausnahmegründe insbesondere dann, wenn die
Nichtbeachtung der Ziele die Folge neuer Änderungen der physischen
Eigenschaften des Oberflächenwasserkörpers ist und sich daraus negative
Wirkungen ergeben. Dies kann im Anschluss an neue Genehmigungen von
Vorhaben eintreten. Es ist nämlich unmöglich, ein Vorhaben und die
Umsetzung von Bewirtschaftungsplänen getrennt zu betrachten.
48 Folglich
gilt für diese Vorhaben die in Art. 4 der Richtlinie 2000/60
aufgestellte Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands
der Wasserkörper. Die Vorhaben können jedoch nach den in Art. 4
vorgesehenen Ausnahmeregelungen genehmigt werden.
49 Die
Europäische Kommission macht in ihren schriftlichen Erklärungen
geltend, dass das Verbot der Verschlechterung des Zustands der
Wasserkörper eine Zielvorgabe des Gebots seiner Verbesserung sei. Hierzu
ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber der Pflicht zur
Verhinderung der Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper einen
eigenständigen Status verliehen hat, so dass sie sich nicht auf ein
Instrument im Dienst der Pflicht zur Verbesserung des Zustands der
Wasserkörper beschränkt.
50 Daraus
folgt, dass vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme jede
Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers zu vermeiden ist,
unabhängig von längerfristigen Planungen in Bewirtschaftungsplänen und
Maßnahmenprogrammen. Die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung
des Zustands der Oberflächenwasserkörper bleibt in jedem Stadium der
Durchführung der Richtlinie 2000/60 verbindlich und gilt für jeden Typ
und jeden Zustand eines Oberflächenwasserkörpers, für den ein
Bewirtschaftungsplan erlassen wurde oder hätte erlassen werden müssen.
Der betreffende Mitgliedstaat ist folglich verpflichtet, die Genehmigung
eines Vorhabens zu versagen, wenn es geeignet ist, den Zustand des
fraglichen Wasserkörpers zu verschlechtern oder die Erreichung eines
guten Zustands der Oberflächenwasserkörper zu gefährden, es sei denn,
das Vorhaben fällt unter eine der in Art. 4 Abs. 7 der
Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen.
51 In
Anbetracht aller vorstehenden Erwägungen ist auf die erste und die
vierte Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a
Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen ist, dass
die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme
verpflichtet sind, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu
versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines
Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung
eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten
ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines
Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt
gefährdet.
Zur zweiten und zur dritten Frage
52 Mit
seiner zweiten und seiner dritten Frage, die gemeinsam zu behandeln
sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff der
Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers in
Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie
2000/60 dahin auszulegen ist, dass er nur Veränderungen erfasst, die zu
einer Einstufung des Wasserkörpers in eine niedrigere Klasse gemäß
Anhang V der Richtlinie führen (Theorie der Zustandsklassen). Falls
dies verneint wird, d. h., falls dieser Begriff jede Veränderung
des fraglichen Wasserkörpers erfasst (Theorie des status quo),
möchte das vorlegende Gericht wissen, anhand welcher Kriterien auf eine
Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers geschlossen
werden kann.
53 Es
ist festzustellen, dass der Begriff der Verschlechterung des Zustands
eines Oberflächenwasserkörpers in der Richtlinie 2000/60 nicht definiert
wird.
54 Insoweit
ist darauf hinzuweisen, dass – mangels einer solchen Definition im
Unionsrecht – Bedeutung und Tragweite des Begriffs nach ständiger
Rechtsprechung des Gerichtshofs unter Berücksichtigung sowohl des
Wortlauts der maßgeblichen unionsrechtlichen Vorschrift als auch ihres
Kontexts zu bestimmen sind (vgl. u. a. Urteile Lundberg, C‑317/12,
EU:C:2013:631, Rn. 19, SFIR u. a., C‑187/12 bis C‑189/12,
EU:C:2013:737, Rn. 24, sowie Bouman, C‑114/13, EU:C:2015:81,
Rn. 31).
55 Der
Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der
Richtlinie 2000/60 spricht für eine Auslegung, wonach der Begriff der
Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers auch
Verschlechterungen erfasst, die nicht zu einer Einstufung dieses
Wasserkörpers in eine niedrigere Klasse führen. Darin heißt es
ausdrücklich, dass eine Verschlechterung des Zustands aller
Oberflächenwasserkörper zu verhindern ist. Nach der Definition in
Art. 2 Nr. 17 der Richtlinie ist „Zustand des
Oberflächengewässers“ die allgemeine Bezeichnung für den Zustand eines
Oberflächenwasserkörpers auf der Grundlage des jeweils schlechteren
Wertes für den ökologischen und den chemischen Zustand. Mithin sieht
Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie
2000/60 allgemein die Verpflichtung zur Verhinderung einer
Verschlechterung des Zustands der Oberflächenwasserkörper vor, ohne eine
etwaige Einstufung in eine andere Klasse zu erwähnen. Nur Art. 4
Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii und iii der Richtlinie verweist
im Hinblick auf die Pflicht zur Verbesserung des Zustands der
Oberflächenwasserkörper auf Anhang V.
56 Bevor
geprüft wird, ob diese Auslegung des Wortlauts durch den Kontext, in
den sich der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines
Oberflächenwasserkörpers einfügt, sowie durch die Ziele der Richtlinie
2000/60 bestätigt wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung des
Zustands der Oberflächengewässer auf der Untersuchung des ökologischen
Zustands beruht, der, wie der Generalanwalt in den Nrn. 91 bis 97 seiner
Schlussanträge dargelegt hat, fünf Klassen umfasst.
57 Im
Stadium der Ausarbeitung der ökologischen Qualitätsquotienten verwenden
die Mitgliedstaaten die ökologischen Qualitätsquotienten jeder
Kategorie von Oberflächengewässern auf einer fünfstufigen Skala mittels
eines diese verschiedenen Klassen trennenden Grenzwerts der biologischen
Qualitätskomponenten, nämlich „sehr gut“, „gut“, „mäßig“,
„unbefriedigend“ und „schlecht“. Die Grenzwerte sind nach einer
Interkalibrierung zu bestimmen, die darin besteht, die Ergebnisse der
Einstufung der nationalen Überwachungssysteme für jede biologische
Komponente und für jeden der den Mitgliedstaaten, die zur selben
geografischen Interkalibrierungsgruppe gehören, gemeinsamen Typen von
Oberflächenwasserkörpern zu vergleichen und die Kohärenz der Ergebnisse
mit den normativen Definitionen in Nr. 1.2 des Anhangs V der
Richtlinie zu bewerten.
58 Wie
sich jedoch aus Nr. 1.4.1 Ziff. iii des Anhangs V der
Richtlinie 2000/60 ergibt, dient die Interkalibrierung allein dazu, die
Zustandsklassen „sehr gut“, „gut“ und „mäßig“ voneinander abzugrenzen.
Die Grenzwerte der Mitgliedstaaten sind im Beschluss 2013/480/EU der
Kommission vom 20. September 2013 zur Festlegung der Werte für die
Einstufungen des Überwachungssystems des jeweiligen Mitgliedstaats als
Ergebnis der Interkalibrierung gemäß der Richtlinie 2000/60/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Entscheidung
2008/915/EG (ABl. L 266, S. 1) zu finden.
59 Schließlich
erfolgt gemäß Nr. 1.4.2. Ziff. i des Anhangs V der
Richtlinie 2000/60 für die Kategorien von Oberflächengewässern die
Einstufung eines Wasserkörpers in die unmittelbar niedrigere Klasse,
sobald der Quotient der Qualitätskomponenten unter das der aktuellen
Klasse entsprechende Niveau fällt. Diese sogenannte „one out all
out“-Regel knüpft an die Definition des Zustands eines
Oberflächengewässers in Art. 2 Nr. 17 der Richtlinie an, der
auf der Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den ökologischen
und den chemischen Zustand zu bestimmen ist.
60 Nach
Art. 2 Nr. 21 der Richtlinie 2000/60 ist unter dem
ökologischen Zustand die Qualität von Struktur und Funktionsfähigkeit
aquatischer, in Verbindung mit Oberflächengewässern stehender Ökosysteme
gemäß der Einstufung nach Anhang V der Richtlinie zu verstehen;
dort werden diese Einstufungen des ökologischen Zustands als „normative
Begriffsbestimmungen“ qualifiziert.
61 Wie
der Generalanwalt in Nr. 99 seiner Schlussanträge ausgeführt hat,
erfolgt die Bestimmung der Grenzwerte zwischen den Klassen jedoch durch
den Erlass weiter Bandbreiten. Die Klassen sind daher nur ein
Instrument, das den weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei
der Festlegung der Qualitätskomponenten beschränkt, die den
tatsächlichen Zustand eines bestimmten Wasserkörpers widerspiegeln. Vor
allem aus diesem Grund verweist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a
Ziff. i der Richtlinie 2000/60 u. a. nicht auf deren
Anhang V, denn der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines
Oberflächenwasserkörpers ist ein Begriff von allgemeiner Tragweite.
62 Eine
andere Auslegung dieses Begriffs würde die Mitgliedstaaten hingegen
davon abhalten, Verschlechterungen des Zustands eines
Oberflächenwasserkörpers innerhalb einer Zustandsklasse zu verhindern.
Da die Einstufung eines Oberflächenwasserkörpers nämlich von dem jeweils
schlechteren Wert der anwendbaren Parameter abhängt, könnten alle
anderen Werte abgesenkt werden, ohne dass dies rechtliche Folgen hätte.
63 Die
Anwendung der „one out all out“-Regel in Verbindung mit der Theorie der
Zustandsklassen würde auch dazu führen, dass die Gewässer der
niedrigsten Klasse vom Anwendungsbereich der Pflicht zur Verhinderung
der Verschlechterung ihres Zustands ausgenommen wären. Nach der
Einstufung eines Wasserkörpers in diese Zustandsklasse wäre nämlich eine
erneute Verschlechterung seines Zustands rechtlich nicht mehr möglich.
In Anbetracht der Zielsetzung der Richtlinie 2000/60 verdient dieser
Wasserkörpertyp aber im Rahmen der Gewässerbewirtschaftung besondere
Aufmerksamkeit.
64 Diese
Auslegung wird durch Art. 4 Abs. 5 Buchst. c der
Richtlinie 2000/60 bestätigt, der in Bezug auf erheblich veränderte
Oberflächenwasserkörper, für die sich die Mitgliedstaaten die
Verwirklichung weniger strenger Umweltziele vornehmen können,
ausdrücklich ein Verbot jeder weiteren Verschlechterung vorsieht.
65 Überdies
würde die Anwendung der Theorie der Zustandsklassen dazu führen, den
Schutz der in die höchsten Klassen eingeordneten Gewässer zu schwächen.
Da sich die Einstufung der Gewässer nach dem jeweils schlechteren Wert
der anwendbaren Parameter richtet, würde eine deutliche Verschlechterung
anderer Komponenten die Einstufung des betreffenden Wasserkörpers nicht
ändern, solange sich daraus nicht die Einstufung in eine niedrigere
Klasse ergäbe.
66 Wird
der Begriff „Verschlechterung“ hingegen im Hinblick auf eine
Qualitätskomponente oder einen Stoff ausgelegt, behält die Pflicht zur
Verhinderung der Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers, wie
der Generalanwalt in Nr. 105 seiner Schlussanträge ausgeführt hat,
ihre volle praktische Wirksamkeit, da sie jede Veränderung umfasst, die
geeignet ist, die Verwirklichung des Hauptziels der Richtlinie 2000/60
zu beeinträchtigen.
67 Was
die Kriterien angeht, anhand deren auf eine Verschlechterung des
Zustands eines Wasserkörpers geschlossen werden kann, ist darauf
hinzuweisen, dass sich aus der Systematik von Art. 4 der Richtlinie
2000/60 und insbesondere dessen Abs. 6 und 7 ergibt, dass
Verschlechterungen des Zustands eines Wasserkörpers, seien sie auch
vorübergehend, nur unter strengen Bedingungen zulässig sind. Folglich
muss die Schwelle, bei deren Überschreitung ein Verstoß gegen die
Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands eines
Wasserkörpers vorliegt, niedrig sein.
68 Entgegen
dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland lässt sich eine im
Wesentlichen auf eine Abwägung der negativen Auswirkungen auf die
Gewässer gegen die wasserwirtschaftlichen Interessen gestützte
Auslegung, wonach lediglich „erhebliche Beeinträchtigungen“ eine
Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers darstellen, nicht aus
dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der
Richtlinie 2000/60 ableiten. Zudem ist festzustellen, dass eine solche
Auslegung, wie der Kläger des Ausgangsverfahrens ausführt, die in dieser
Richtlinie getroffene Unterscheidung zwischen der Pflicht zur
Verhinderung der Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers und
den in ihrem Art. 4 Abs. 7 vorgesehenen Gründen für eine
Ausnahme außer Acht lässt, da nur Letztere Elemente für eine
Interessenabwägung enthalten.
69 Demnach
ist der Kommission beizupflichten, dass eine „Verschlechterung des
Zustands“ eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4
Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 vorliegt,
sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne
ihres Anhangs V um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese
Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des
Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Ist jedoch die betreffende
Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der
niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser
Komponente eine „Verschlechterung des Zustands“ eines
Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1
Buchst. a Ziff. i dar.
70 Nach
alledem ist auf die zweite und die dritte Vorlagefrage zu antworten,
dass der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines
Oberflächenwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a
Ziff. i der Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen ist, dass eine
Verschlechterung vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer
Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine
Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer
Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt
führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von
Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede
Verschlechterung dieser Komponente eine „Verschlechterung des Zustands“
eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1
Buchst. a Ziff. i dar.
Kosten
71 Für
die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein
Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit;
die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen
anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof
sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 4
Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie
2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober
2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft
im Bereich der Wasserpolitik ist dahin auszulegen, dass die
Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme verpflichtet
sind, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn es
eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers
verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands eines
Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines
guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der
Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet.
2. Der
Begriff der Verschlechterung des Zustands eines
Oberflächenwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a
Ziff. i der Richtlinie 2000/60 ist dahin auszulegen, dass eine
Verschlechterung vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer
Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine
Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer
Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt
führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von
Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede
Verschlechterung dieser Komponente eine „Verschlechterung des Zustands“
eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1
Buchst. a Ziff. i dar.
Unterschriften